Plagiat oder Zufall?
Die Ähnlichkeit ist reiner Zufall. Dali war so wie ich von der Natur inspiriert.
So begründet Richard Steiner gegenüber dem Bezirksblatt, warum seine Skulpturen vom Kreisverkehr in Mittersill einem Werk von Salvador Dali zum Verwechseln ähnlich sehen. Interessant! Man wundert sich, was die Natur in Spanien und dem Oberpinzgau gemeinsam hat, dass sie zu solchen ungewöhnlichen Kunstwerken anregt?
Allerdings irrt sich Steiner was Salvador Dali betrifft. Der spanische Meister war für sein Werk „Das architektonische Angelusläuten von Millet“ keineswegs von der Natur inspiriert, sondern von einem Gemälde, das ihn seit seiner Kindheit beschäftigt hatte:
Dieses Gemälde rief in mir eine so bittere Qual hervor, dass die Erinnerung an jene beiden regungslosen Silhouetten mich mehrere Jahre lang mit einem durch ihre zweideutige Präsenz verursachten Unbehagen verfolgte. Trotz dieser Gefühle hatte ich den Eindruck, irgendwie unter ihrem Schutz zu stehen.
So äußerte sich Dali über das berühmte Angelusläuten von Jean-Francois Millet aus dem Jahre 1859, das als Kopie in seiner Schule gehangen hatte und ihn zutiefst beeindruckte.
Das Bild stellt einen Bauern und seine Frau dar, die ihre Ernte unterbrechen, um das Angelusgebet zu sprechen. Das Angelusläuten ist in der Katholischen Kirche das morgendliche, mittägliche und abendliche Läuten der Kirchenglocken. Millet malte das Bild nicht aus religiösen Gefühlen, sondern als Andenken an seine Großmutter, die früher ebenfalls auf den Feldern innegehalten hatte, um den Engel des Herrn zu beten.
Diese ländliche Frömmigkeit hat also den spanischen Meister angeregt, und nicht die Natur. Er nimmt in seinem Werk auch darauf Bezug und steht zu der Quelle, die ihn inspiriert hat.
Die Figuren und Elemente von Richard Steiner haben historischen Hintergrund, ist den Pinzgauer Nachrichten zu entnehmen. Als Beschreibung wird angeführt: „Die männliche Figur ist kantig und steht für das Schroffe der Hohen Tauern. Ein Durchblick soll auf das Tauernfenster mit den reichhaltigen Smaragdvorkommen hinweisen. Die weibliche Figur ist weich, anschmiegsam und sanft gestaltet, ein Symbol für die Kitzbühler Alpen. Die Größe der Figuren soll auf den Stolz der Oberpinzgauer Bevölkerung […] hinweisen“.
Diese Klischees machen mir das Werk, egal ob abgekupfert oder nicht, nicht gerade sympathisch. Die weibliche Figur ist natürlich weich, anschmiegsam und sanft … Und scheint sich vor dem Mann devot zu verneigen… Was bei Millet im Zusammenhang mit dem Gebet noch ein gebeugtes Haupt vor Gott ist, wirkt bei Steiner wie eine Unterwerfung vor dem Mann bzw. den Hohen Tauern natürlich. Und wenn die Größe der Figuren den Stolz der Oberpinzgauer symbolisieren soll, dann hätte er sie doch gleich noch ein paar Meter höher machen können!
Aber es geht hier ja nicht darum, ob das Werk gefällt oder nicht, sondern ob es gefladdert ist oder nicht! Sollte das wirklich ein Zufall sein, scheinen die Übereinstimmungen schon sehr ungewöhnlich…Wie jene, dass der Künstler sogar einen Durchblick geschaffen hat, den es auch bei Dali gibt. Man kann sich aber auch nicht vorstellen, dass Steiner vorsätzlich abgekupfert hat und so unverfrohren davon ausging, das würde uns Pinzgauer Kulturbanausen schon nicht auffallen. Oder doch?
Kreisverkehrte Kunst: (© Leserin Doris Prossegger)
Ich bin sowieso der Meinung, Kunstwerke haben auf einem Kreisverkehr nichts verloren. Egal ob aus Stein, Holz oder Heu – ein Kreisverkehr dient eigentlich der Sicherheit der Autofahrer und die sollte nicht durch solche Ablenkungen gefährdet werden.