Schmutzige Propaganda reloaded
Mit 31. Dezember 2015 ist das Urheberrecht von „Mein Kampf“ erloschen. 70 Jahre nach dem Tod von Adolf Hitler darf sein Werk nun nachgedruckt werden. Das ist nicht unumstritten. Wozu sollen die irren Weltanschauungen des Diktators erneut verbreitet werden? Bis 1944 wurden mehr als 12 Millionen Exemplare gedruckt. Man darf davon ausgehen, dass davon noch genug im Umlauf sind. Auch ich brauche keine neue Auflage, ich hab‘ das Buch bei mir am Dachboden gefunden und gelesen. Nicht in einem Stück, das hätte die geistige Gesundheit nicht ausgehalten. Aber immer wieder darin geblättert und einzelne Passagen gelesen. Beklemmend ist das, schlecht wird einem dabei. Vor allem mit dem heutigen Wissen, wie vielen Menschen diese Ansichten das Leben gekostet haben.
Mit 8. Jänner erscheint eine kritische Neuauflage, in der Historiker das Werk Hitlers kommentieren. Man möchte ja meinen, wer lesen kann, halbwegs bei Verstand und nicht einschlägig vorbelastet ist, sollte gar keine kommentierte Erklärung brauchen. Der Inhalt spricht ohnehin für sich. Stark und laut genug! Überhaupt erscheint das zu viel der Aufmerksamkeit für diesen geistigen Schrott. „Mein Kampf“ besteht aus 800 eng beschriebenen Seiten, die neue wissenschaftliche Edition hat fast 2000 Seiten, ein Bestseller wie das Original wird es wohl kaum werden. Für Schulen ist das vermutlich ein wichtiger Beitrag, aber der Durchschnittsleser wird sich damit kaum auseinandersetzen. Schon gar nicht der moderne Wutbürger, der für solche extremen Ansichten wie die des Braunauers empfänglich ist. In der Diskussion um die Neuauflage des Buches war immer wieder zu hören, das Werk stelle für unsere Demokratie heute keine Gefahr mehr dar. Darauf wetten würde ich nicht unbedingt.
Gerade jetzt, wo die Hetzer wieder besonders aktiv sind, und sich nicht nur eine große Anzahl der Österreicher wieder einen starken Führer wünschen, sondern diese Entwicklung in ganz Europa sichtbar wird, sind Sätze wie diese womöglich willkommen: „Nicht nur, dass man sich um die Rasse eines neuen Staatsbürgers nicht kümmert, man beachtet auch nicht seine körperliche Gesundheit… So nehmen alljährlich diese Gebilde, Staat genannt, Giftstoffe in sich auf, die sie kaum mehr zu überwinden vermögen.“ (Aus dem Kapitel ‚Staatsangehöriger und Staatsbürger‘). Wenn man die Hasspostings der letzten Monate verfolgt hat – wer kann ausschließen, dass solche Leute durch die Hetze des verhinderten Kunstmalers durchaus bestärkt werden? Denen war das Buch bisher vielleicht nicht zugänglich, weil sie die Schrift nicht mehr lesen können. Aber wenn erst die Zitate unkommentiert und bejubelnd im Netz verbreitet werden …
Durch die Debatte um die Neuauflage sind sicher unbedarfte Leute erst auf „Mein Kampf“ aufmerksam geworden, die sich womöglich wieder für solchen Schwachsinn interessieren: „Was wir heute an menschlicher Kultur, an Ergebnissen von Kunst, Wissenschaft und Technik vor uns sehen, ist nahezu ausschließlich schöpferisches Produkt des Ariers. Er ist der Prometheus der Menschheit, aus dessen lichter Stirne der göttliche Funke des Genies zu allen Zeiten hervorsprang, immer von neuem jenes Feuer entzündend, das als Erkenntnis die Nacht der schweigenden Geheimnisse aufhellte und den Menschen so den Weg zum Beherrscher der anderen Wesen dieser Erde emporsteigen ließ“.
Würden diese Zeilen nicht von einem der größten Verbrecher aller Zeiten stammen, man könnte lachen über diesen kRampf!
Übrigens: Auch das Urheberrecht von Anne Franks Tagebücher erlosch mit Ende Dezember. Diese Lektüre kann nicht oft genug verbreitet und gelesen werden!
An der kommentierten Edition hat auch ein Salzburger Historiker gearbeitet. Das Bezirksblatt Salzburg hat mit ihm ein interessantes Interview geführt: http://www.meinbezirk.at/salzburg-stadt/lokales/hitler-war-nicht-alleine-d1589293.html.
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