Das Florianiprinzip

Flo„Zu Tode gekommen“ – der Kanzler, der Polizist, die Ministerin, der Journalist – sie alle verwenden diese eigenartige Formulierung.

Als könnten sie mit dieser umständlichen Phrase etwas abschwächen, mildern, wo es nichts zu mildern gibt.

„Qualvoll erstickt“ wäre wohl passender, oder „skrupellos ermordet“.

Hunderte sterben im Mittelmeer, das wird achselzuckend hingenommen. Aber auf österreichischem Boden grausam ersticken ist wohl doch eine andere Dimension, das macht betroffen.

Quer durch Europa hört man plötzlich ganz neue Töne. Neben den üblichen Verurteilungen der bösen Schlepper scheint es auf einmal denkbar, dass Kriegsflüchtlingen eine legale Einreise ermöglicht wird.[1] Endlich will man schreien! Das wird aber auch höchste Zeit! Allein mir fehlt der Glaube. Eher werden wohl die Panzer anrollen, und die Grenzkontrollen verstärkt.

Warum setzen wir diese Menschen überhaupt den Schlepperbanden aus!  Was spricht dagegen, sie mit dem Flugzeug legal und risikolos nach Europa zu holen? Schließlich bekommen jene Glücklichen, die es zu uns schaffen, ohnehin Asyl.

Das Zauberwort heißt „Florianiprinzip“. Es bedeutet im Wesentlichen nicht handeln, nur beten und hoffen. Darauf dass das Unheil einen nicht selber trifft, sondern den Nachbarn.

Europa hat sich völlig dem Heiligen Florian unterworfen. Auf allen Ebenen. Monatelang hatte die Union darauf vertraut, dass die Flüchtlinge in der Region bleiben würden Hat es aber nicht für nötig befunden, z. B. dem heillos überforderten Libanon wenigstens ausreichend humanitäre Hilfe zukommen zu lassen[2]. Also wanderten die Verzweifelten weiter. Strandeten in Italien und in Griechenland. Die Tragödien kamen immer näher, wurden immer sichtbarer. Und wurden weiter ignoriert, ebenso wie die Hilferufe dieser Länder. Alle anderen EU-Staaten pochten auf die Dublin-Regelung. [3] und fühlte sich in Sicherheit in ihrem Beobachterstatus.

Aber siehe da, diese hinterhältigen Illegalen halten sich nicht an Gesetze und Verordnungen. Um in Griechenland und Italien nicht vor die Hunde zu gehen, lassen sie sich noch weiter schleppen, und wollen direkt ins Herz von Europa. Deutschland wirkt auf viele wie das Gelobte Land. Hier winken Freiheit, Sicherheit und Arbeit. Sie lassen sich nicht aufhalten, weder von Soldaten an der Grenze in Mazedonien, die mit Tränengas auf die Flüchtlinge schießen, noch von dem Stacheldraht in Ungarn.[4]

Diese Schikanen erhöhen nur das Risiko und den Preis für den Schlepper. Während ein europäischer Reisender sich höchstens Gedanken machen muss, ob die Drinks auch all inclusive sind, muss ein Flüchtling Entscheidungen auf Leben und Tod treffen. Zahlt man den Aufpreis für Schwimmwesten? Welcher Schlepper ist seriös, wem kann man das eigene Leben anvertrauen? Bekomme ich genug Luft in einem Kastenwagen mit rund 14 Quadratmetern und 70 anderen Personen.[5] Gibt es einen größeren Transporter, wenn ich noch einen Tausender drauf lege?

Wer diese Hürden überwunden hat und es lebend nach Österreich geschafft hat, wird erneut mit den Auswirkungen des Florianiprinzips konfrontiert.

Denn auch hier betet man inbrünstig zum Heiligen Florian. Die Innenministerin lässt Traiskirchen überfüllen und schiebt die Schuld auf die nachlässigen Länder, die die Quote nicht erfüllen. Jeder Bürgermeister hofft, dass es seine Gemeinde nicht trifft und schielt auf den Nachbarort. Bekommt man trotzdem Flüchtlinge zugewiesen, obwohl man doch die besten Kontakte hat, stellt man sich vor laufende Kameras und erklärt, das sei untragbar. Wo kommen wir denn da hin! Schließlich befindet sich neben der Flüchtlingsunterkunft ein Kindergarten! Die Sicherheit der Kinder wäre nicht mehr gewährleistet.

Hat das alles nichts geholfen, und es wurden für einige Wochen Asylwerber in der eigenen Gemeinde in Internaten einquartiert, so erwecke man am Besten den Eindruck man bemühe sich emsig um dauerhafte Plätze. Aber leider, da hat man gar nix Passendes … Sollen die Menschen, die sich gerade erst eingelebt haben, um die sich viele ehrenamtliche Helfer gekümmert haben, doch weiterziehen. Floriani hab’ dank.[6]

71 Menschen sind nicht zu Tode gekommen. Sie sind qualvoll erstickt. 59 Männer, acht Frauen, vier kleine Kinder.  Sie sind gestorben, weil Europa nach dem Florianiprinzip agiert. „Europa verliert seine Würde“, oder „Das Friedensprojekt Europa ist in Gefahr“, schreiben die Medien. Welche Würde? Welches Friedensprojekt? Europa hat 7 Millionen ermordete Juden auf dem Gewissen und nichts aus der Geschichte gelernt! Freunde, Nachbarn, Bekannte wurden über Nacht abgeholt und in Viehwaggons gepfercht. Damals wurden die Grenzen ebenso dicht gemacht, wie heute.

Damals haben alle von nichts gewusst. Diese Ausrede zieht heute nicht mehr, denn wir sind live dabei. Das Sterben findet vor unseren Augen und Haustüren statt. Und was tun wir dagegen? Beten und hoffen.

P.S.: Liebe Verantwortliche in der EU, der österreichischen Regierung, den Gemeinden etc. Wenn der Heilige Florian also leider nicht das Haus des Nachbarn angezündet hat, sondern euer eigenes, wartet ihr dann auch in Ruhe ab, trinkt dann noch gemütlich den Kaffee aus, bevor ihr dann doch die Feuerwehr ruft … ?

 


[1] Sogar die eiserne Johanna hat das angesprochen.

[2] Im Libanon leben mehr als eine Million Flüchtlinge, das sind ein Drittel der Bevölkerung, in einem instabilen Land das selber jahrelang unter einem Bürgerkrieg gelitten hat.

[3] Ätsch, dort wo die Asylwerber als Erstes stranden, müssen sie um Asyl ansuchen.

[4] Hallo liebe ungarische Nachbarn! Habt ihr ein Demenzproblem? Ich kann mich noch gut erinnern, als 1989 der Eiserne Vorhang gefallen ist und der Abbau des Stacheldrahtzauns öffentlich zelebriert wurde. Hat nicht lang gedauert, bis der wieder einführt wird.

[5] Das ist kaum der Platz der Doppelseite einer Zeitung. Bitte selber ausprobieren, wie das ist, darauf stundenlang zu stehen. Die Enge und die Angst möge man sich dazu denken.

[6] Auch für die Flüchtlinge in der HIB Saalfelden wurde keine Lösung in der Gemeinde gefunden. Sie werden nach dem Zufallsprinzip auf Anweisung des Landes auf fünf Quartiere in Salzburg aufgeteilt.

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