Glühender Brauch
Polyporus fomentarius, ist ein Pilz, der vorwiegend an Buchenstämmen vorkommt und als Zunder verwendet wird.
Für den Schädling, der den Krankheitszustand des Baumes anzeigt und die Weißfäule des Holzes verursacht, ist daher auch die Bezeichnung Feuerschwamm gebräuchlich.
Er spielt eine wichtige Rolle bei einem im Pinzgau nur noch in Unken praktizierten Osterbrauch.
Eggerbauer Wast Wimmer ist, wie bereits sein Vater vor ihm, für das Osterfeuer zuständig.
Sobald er das Holz in der Feuerstelle vor der Kirche anzündet und es geweiht wurde, drängt sich eine Schar Kinder darum, ihre getrockneten Schwämme in das Feuer zu halten. „Die Buben muss ich immer davonhüten, sonst wären sie alle aufeinander“, erzählt der Wast von der schwierigen Aufgabe, auf Feuer und Kinder aufzupassen.
Wie viele religiöse Rituale und Ämter war das Schwammtragen ursprünglich Buben vorbehalten. Selbst wenn es auf einem Hof nur Töchter gab, durften sie den Brauch nicht übernehmen. In dem Fall wurden Nachbarkinder damit beauftragt, das Osterfeuer mitzubringen.
So wie Ministrantinnen in der Kirche selbstverständlich geworden sind, schwingen heute auch Mädchen ihre Schwämme.
Für Martina Faller, 1971 geboren, war das noch undenkbar. Wehmütig erzählt die Unknerin, dass in ihrer Kindheit nur ihre Brüder schwammtragen durften. Sie musste zuschauen, wie diese versuchten sich gegenseitig zu übertrumpfen.
Vor allem um die Belohnung für das Tragen war sie den Buben neidig erzählt sie lachend. Schließlich ist eine kleine finanzielle Belohnung, ein geweihtes Ei oder Süßigkeiten als Dankeschön für die Träger üblich.
Im neuen Jahrtausend haben die gesellschaftlichen Veränderungen auch vor dem alten Brauch nicht halt gemacht, das Schwammtragen wurde schleichend emanzipiert. Tochter Carolin lebt heute den Traum der Mutter und betrachtet es als selbstverständlich, einen Schwamm zu tragen, wie ihre Freunde.
Neue Zeiten für alte Rituale
Für den Brauch besteht in der modernen Zeit eigentlich keine Notwendigkeit mehr, weil die Leute nicht mehr zu Fuß in die Kirche kommen müssen. Entwickelt hat er sich vermutlich um das geweihte Feuer auch in die zum Teil sehr entlegenen Höfe bringen zu können. Unken ist eine weit verstreute Gemeinde, im Ortsteil Gföll sind manche Höfe rund 2,5 Stunden Gehzeit von der Kirche entfernt
Hans Schmuck, Jahrgang 1932, hatte diese Strecke täglich zu bewältigen, als Schulweg und zum Kirchgang. Über den Brauch am Karsamstag berichtet der Zeitzeuge: „Wir waren eine Schar Buben und gingen gemeinsam mit dem Schwamm ins Dorf. Von jedem Hof durfte ja nur ein Kind dabei sein, das war schon ein Privileg, da musste man sich gegen die Geschwister durchsetzen. Für uns war natürlich wichtig, wer den größten und schönsten Schwamm hatte.“
Am Heimweg wurde auf halber Höhe beim Friedlwirt kurz gerastet. Die Buben bekamen ein Kracherl zur Stärkung, dann ging es wieder weiter. „Das war ganz etwas Besonderes, das Kracherl, aber wir konnten uns nicht länger aufhalten, sonst wäre der Schwamm erloschen. Der musste ja immer geschwungen werden, damit er nicht ausging. Dabei haben wir auch oft Teile verloren, das war schon ein Kunst, das Schwammtragen.“
Je nach Größe des Schwammes empfiehlt es sich, ihn rund 5 bis 10 Minuten ins Feuer zu halten, aber nicht zu lange, damit er nicht vorzeitig verbrennt. Anschließend kommt das charakteristische Schwingen des Schwammes, wodurch er richtig zu glühen beginnt. So muss er nach Hause getragen werden, denn durch den Luftzug löscht er nicht aus. Je weiter entfernt von der Kirche jemand wohnt, desto größer soll der Schwamm sein, damit das Feuer lange genug anhält. Das war früher so und ist bis heute so geblieben, auch wenn die Gföller jetzt mit dem Auto in die Kirche fahren. Diese Beförderung wirft aber erst recht wieder das Problem auf, das Feuer heil heimzubringen. Die Kinder sitzen entweder im Kofferraum oder halten die Schwämme beim Seitenfenster hinaus. Bis sie zu Hause sind ist das Feuer manchmal durch den starken Fahrtwind erloschen.
Der Eggerhof liegt direkt neben der Kirche, dieses Problem gibt’s hier daher nicht und die Familie braucht nur kleine Schwämme.
„Das war meinen Geschwistern und mir gar nicht recht, dass wir so schnell daheim waren, wir wären gern weiter gegangen“, meint der Wast bedauernd.
Nicht nur die Größe, auch die Beschaffenheit des Schwammes ist wichtig.
Der Wast erklärt, dass er auf jeden Fall von einer Buche sein müsse, alle anderen würden viel zu schnell verbrennen. Er sammelt die Schwämme übers Jahr, wenn er im Wald unterwegs ist. Die getrockneten Stücke werden angebohrt und ein Draht daran befestigt, mit dem sie geschwungen werden können. Daheim werden dann Teile von dem glühenden Schwamm abgebrochen und auf die Feuerstellen des Hauses verteilt.
Der Wast ist ein langjähriger Profi, er hat schon seinem Vater geholfen, das Feuer zu betreuen Dieser hat das Anzünden seinerzeit vom damaligen Mesner übernommen und mehr als ein halbes Jahrhundert lang ausgeübt. Dem Senior ist es zu verdanken, dass sich der Brauch in Unken bis heute erhalten hat. Ohne sein unermüdliches Engagement wäre das Schwammtragen wie in anderen Ortschaften auch, wohl zunehmend von den Laternen verdrängt worden, mit denen heute üblicherweise das Osterlicht heimgetragen wird.
Das verantwortungsvolle Amt gehört seither zum Eggerbauer. „Meine Kinder machen das weiter, das ist jetzt beim Egger geblieben“ freut sich der Wast. Der Eggerbauer hat drei Söhne, das Thema Emanzipation war daher in der Familie bisher nicht aktuell. Er spricht zwar in Zusammenhang mit dem Brauch gewohnheitsmäßig nur von „den Buben“ aber es ist für ihn selbstverständlich, dass seine Enkelinnen heute aktiv teilnehmen dürfen. So macht er sich mit Enkelin Christina auf den Weg zur Kirche und wird das Feuer anzünden, wie sein Vater vor ihm, seine Söhne mit ihm und vielleicht seine Enkelin nach ihm.
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