Wer bin ich! Wer werde ich?

Während die Gesellschaft rapide vergreist, fröhnt sie dem Jugendwahn. Will zwar ewig leben, aber aussehen wie 20. Verschließt die Augen vor den unerfreulichen Tatsachen, die das Alter mit sich bringt. Mal abgesehen von den kleinen Wehwehchen, die sich zwangsläufig einstellen: mit zunehmendem Alter lassen uns leider auch unsere Gehirnzellen immer mehr im Stich.

Was anfangs nur lästig ist – Schlüssel verlegt, Namen vergessen u.ä. – wird schnell existenzbedrohend. Demenzkranke Menschen haben Essstörungen, Angstzustände, Wahnvorstellungen, leiden unter Depressionen, sind gereizt und apathisch – um nur die häufigsten Merkmale von Alzheimer Patienten zu nennen. Die Umwelt und Mitmenschen entwickeln sich zu einem bedrohlichen Szenario. In ihrer Angst werden Patienten aggressiv, auch gegenüber Angehörigen und Pflegenden.

Demenz-Kranke vernachlässigen ihre früheren Hobbys genauso wie den eigenen Körper. Das führt so weit, dass sie sich nicht mehr waschen und nicht mehr essen. Die Welt wird ihnen zunehmend unverständlich, weil sie Gegenstände und Personen nicht mehr zuordnen können.

Im Anfangsstadium ist aber die Gefühlswelt noch intakt. Die Patienten sind noch zu emotionalem Kontakt fähig. Sie spüren daher, wenn sie Mitmenschen peinlich sind. Und es ist ihnen unangenehm, wenn sie für ihr Verhalten verantwortlich gemacht werden. Das führt nicht selten zu wütenden Reaktionen, und noch mehr Unverständnis.

Angehörige fühlen sich oft nicht nur allein gelassen, sondern auch völlig überfordert. Im Pinzgau gibt es eine Einrichtung des Hilfswerks, die in dieser Situation großartige Hilfe leistet. Die Tagesbetreuung in Piesendorf bietet tagsüber eine Entlastung für pflegende Personen. Ein Fahrtendienst holt die Senioren am Morgen zu Hause ab, dann wird gemeinsam in der Gruppe gefrühstückt. In dem hellen, gemütlichen Wohnraum herrscht eine angenehme Atmosphäre. Hier wird zusammen gekocht, gespielt, gestrickt und vor allem viel geredet. Ein vielfältiges Programm sorgt für Abwechslung und Beschäftigung.

„Die Leute vereinsamen daheim“, erzählt Pflegehelferin Marija Dürlinger. Für viele Kranke ist das Tageszentrum zum Lebensinhalt geworden. Quer durch alle Schichten, aus allen Ecken des Pinzgaus verbringen sie hier ein bis drei Tage pro Woche. Rupert, den Zimmerer aus Bruck, Bäuerin Erni aus Thumersbach und Rosa, die Vermieterin aus Saalbach eint die Krankheit und bekannte Lieder, Speisen und Rituale aus ihrer Vergangenheit. Daher liegt der Schwerpunkt der Themen auf früheren Erlebnissen. Stehen beispielsweise Moosbeeren am Programm, wird darüber geplaudert, wer „in de Bee gonga is“, und es wird gemeinsam Moosbeermuas und -marmelade gekocht. Wer mag kann auch die dazu passenden Almlieder singen.

Nach einem ereignisreichen Tag bringt Zivildiener Christopher Wallas die Leute wieder nach Hause, wo sie von den Angehörigen in Empfang genommen werden. Manche können sich an ihre Familie und ihr Daheim nicht erinnern. Aber sie spüren wo sie geborgen sind.

Am Sonntag war Internationaler Alzheimertag. Auch wenn wir alles tun um die Gedanken an Alter und Krankheit zu verdrängen – wer will nicht in Würde seinen Lebensabend verbringen? In diesem Sinne ist die Politik gefragt, entsprechende Einrichtungen zu schaffen und zu unterstützen. Und wir alle sind gefragt, Verständnis für Patienten aufzubringen. Denn Demenz ist demokratisch. Es kann jeden betreffen.

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