Bedrohliches I
„Welcher Frau hat das Binnen-I zu einem besseren Job oder zu mehr Bezahlung verholfen?“
Frau Walburg Ernst macht Ernst. Die Chefin des „Komitees zur Regelung des Schriftverkehrs“ hat diese Woche eine Norm vorgeschlagen, die das Binnen-I streichen würde. Denn, so lautet die Begründung der Sprachpolizistin: „Die Sprache dient der klaglosen Verständigung und nicht der Durchsetzung zweifelhafter politischer Ziele.“
Im Interview mit der Wiener Zeitung weiß sie das durchaus originell zu begründen und zu verteidigen. „Wie beschränkt muss man sein, wenn man beim „Spitzensportler“ nicht an Anna Fenninger oder beim „einflussreichsten Politiker“ nicht auch an Angela Merkel denkt?“, argumentiert Ernst.
Das Normungsinstitut Austrian Standards hat sich von den Ausführungen der Komitee-Chefin distanziert. Es handle sich um „persönliche Aussagen“, wurde betont.
Dennoch, die Debatte im Internet spricht sich eindeutig gegen das ungeliebte Binnen-I aus. Mit den üblichen Begründungen wie schwer lesbar und man habe doch bitte ganz andere Sorgen. „Die Verwendung des BinnenIs ist eine hysterische Verstümmelung unserer Sprache“, lautet ein Posting im Standard. „Diese Genderitis ist eine enorm gefährliche Hirnkrankheit! Sie führt in kürzester Zeit zu völliger Verblödung“ meint ein Dr. Gernot Stöckel in der Presse. Eine Suada derAufpudlerinnen nennt ein Poster die Debatte.
Natürlich haben wir andere Sorgen, aber sollen wir uns wirklich nur noch mit dem Hypo Skandal auseinander setzen, auf den wir ohnehin keinen Einfluss haben?
Oder sind wir intelligent genug, uns zusätzlich Gedanken darüber zu machen, ob wir durch unsere Sprache mehr Bewusstsein schaffen können und wollen?
Keine Frage, das Binnen I ist sperrig, ständig die weibliche und männliche Form zu schreiben umständlich. Gendern könnte man aber auch auf andere Weise, als mit I und Schrägstrich.
Mit etwas Fantasie lassen sich Begriffe finden, die Männer und Frauen einschließt, z. B. Kundschaft statt Kunden. Denn ehrlich, ich fühle mich als der Kunde nicht angesprochen. Nennt mich ruhig beschränkt, aber: Liebe Walburg, ich denke beim „einflussreichsten Politiker“ NICHT an Angela Merkel! Sorry, bei dieser Bezeichnung habe ich nur Männer wie Putin, Obama, Faymann im Kopf.
Und wenn in einem Bericht über Brustkrebs die erkrankten Frauen ständig als Patienten angeführt werden ist das dumm und unsensibel. Dass der im Artikel erwähnte Arzt eine Ärztin ist, scheint bei soviel Ignoranz fast schon logisch.
Sprache ist ein mächtiges Instrument. Ich halte es meinerseits für ziemlich beschränkt, das zu unterschätzen. Warum machen wir nicht gleich den Begriff Weiber wieder salonfähig? Oder Alte?
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